The Armed Man“ von Karl Jenkins am 11.10.2015 um 17.00 Uhr in der Michaelskirche Neuenkirchen

 

Ein Friedenstraum wird wahr

 

Hauke Scholten ist, wie auch viele Zuhörer an diesem Abend, nach diesem großen Konzert sichtlich bewegt:

 

Lange haben die Mitglieder des Kammerchores geprobt, Solisten mußten gefunden werden und auch Sponsoren, wie der Ortsrat Neuenkirchen und der Verein „Andere Zeiten“ waren nötig, um es möglich zu machen, „The Armed Man“ von Karl Jenkins in der Michaelskirche in Neuenkirchen aufzuführen.

 

All das gelang.

Und so wurde die Neuenkirchener Version des eigentlich für großen Chor und ebensogroßes Orchester komponierten Werkes ist zu einem gelungenen Ganzen.

Hauke Scholtens Traum von der Messe für den Frieden wurde wahr!

 

Und vielleicht wird er auch noch ein zweites Mal wahr werden, denn der Spendentopf des kirchemusikalsichen Fördervereines von Neuenkirchen und Rekum, „musica sacra“, der daran arbeitet, daß solche Träume überhaupt wahr werden können, wurde am Ende der Veranstaltung großzügig gefüllt.

 

The Armed Man“, ein Antikriegsstück, gewidmet den Opfern des Kosovo-Krieges und Messe für den Frieden unter den Völkern mit ihren vielfältigen Religionen, gewann vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik eine weitere Dimension hinzu.

 

Ich kann mich nicht erinnern, wann mir eine Thematik so unausweichlich begegnet ist und so heiß diskutiert wurde, wie diese.“ sagt Anka Stellmann zu Beginn der Veranstaltung.

Es gibt aber auch nur ein Mittel, um sich dem friedlichen Zusammenleben zu nähern: Nämlich, daß wir unsere Gemeinsamkeiten herausarbeiten!

Aber wie macht man das, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht?

Eine Sprache, die auf der ganzen Welt gesprochen und verstanden wird, ist die Musik.“

 

Mit ihr werden die Texte, die aus ebenso verschiedenen Zeiten, wie Kulturen stammen und die der Komponist auf der Grundlage alter katholischer Messteile verflochten hat, fühlbar.

Karl Jenkins benutzt Kriegsgesänge und ergänzt diese durch grandiose eigene Musik für die er sich von Gregorianik, Renaissance, Barock, Klassik, Moderne, aber auch Popularmusik und Jazz beeinflussen läßt, um den Bogen von der Kriegstreiberei bis zur Einsicht, daß es Zeit ist, das Jahrtausend der Kriege hinter uns zu lassen, zu spannen.

 

Die äußerst eindrückliche musikalische Atmosphäre führt uns in den Krieg hinab, in den Kampf, in die Angst, in die Klage, in den Horror, in die Stille, in das entsetzliche Leid der Menschen und Tiere, in Selbstvorwürfe, in die Trauer und zu guter Letzt in die Hoffnung, daß Gott alle Tränen abwischen wird und im neuen Jahrtausend Trauer, Schmerz und Tod überwunden werden können.

Friedemann Bartels am Schlagzeug sowie Johannes Roosen-Runge und Felix Meyer an den Trompeten gaben dem Stück mit außergewöhnlicher Präzision und musikalischem Verständnis Esprit und eine ungeheuere Dynamik. Neben den Dreien, auch auf der Orgelempore, glänzte die Mezzosopranistin Meike Heegardt mit ihrem großen stimmlichen Einfühlungsvermögen.
Megumi Ishida-Hahn variierte die Orgelklänge in atemberaubendem Tempo und gab damit der Aufführung eine ganz besondere Farbe. Einen weiteren, nicht wegzudenkenden Akzent gab diesem Antikriegsstück die Querflötistin Ute Stemberg.
Auf der Empore hinter dem Kammerchor, also quasi über diesem thronend, spielte das für dieses Stück eigens zusammengestellte Ensemble perfekt aufeinander abgestimmt.
Julika Rieke, als Cellistin, wurde als einzige der Instrumentalisten unten vor dem Kammerchor platziert. Sie gab den Sängern Halt, brillierte als Solistin im Benedictus und verlieh dieser Ensembleversion den letzten Schliff.

 
Als nach dem L'homme Armee, dem ersten Teil dieser Komposition, Bilal Güney, als Muezzin auf der Kanzel das Adhaan, also den muslimischen Gebetsruf, sang, schossen so manchem Konzertbesucher unvermittelt die Tränen in die Augen. Ein wunderschöner beeindruckender, aus der Tiefe der Jahrhunderte kommender Gesang, der uns schon an diesem Punkt der „Messe für den Frieden“, besonders in der Verbindung zum folgenden „Kyrie“, klar machte, wie wichtig, schön und entscheidend Gemeinsamkeiten in Glauben und Hoffnung sind. Ein besonders berührender, nicht zu beschreibender Moment. 

Krieg, Flucht und Fremdsein: Hier spielen Gefühle eine große Rolle, zum Beispiel Hoffnung und Angst bei denen, die ihre Heimat verlassen haben.“

Sicherlich waren unter den Zuhörern auch genügend Menschen, die wissen, was die Zeit nach dem Krieg bedeutet: Für die einen heißt es, neu anfangen zu müssen, für die anderen, helfen zu können...“

 

Ich war sieben, als meine Mutter beschloß, daß es besser sei, aus unserem Heimatort wegzugehen. Damals habe ich gar nicht so recht begriffen, was „Krieg“ bedeutet. Allerdings kann ich mich sehr gut an die Aufstiegszeit erinnern: Das Vorankommen spornte an!“, berichtet ein älterer Herr, dessen Tochter heute mitgesungen hatte.

 

Ich war überwältigt von der Emotion, in die diese Art der Musik mich eintauchen ließ. Die Pausen waren kaum auszuhalten. Es gab auch Momente, in denen ich erschrak oder die in mir den blanken Horror aufsteigen ließen.

Auch ohne die Texte aus dem Programmheft zu lesen, wußte ich um ihre Bedeutung.

Als ich sie dann doch las, kamen mir die Tränen.“, berichtet eine Zuhörerin.

Und eine junge Sängerin schließt sich an: „Ich bin froh, daß wir in fremden Sprachen gesungen haben. Wenn man sich klar macht, was die Texte bedeuten, wird es sonst schwer einen Ton herauszubekommen.“

 

Nach diesen sich aufschaukelnden Emotionen war das letzte Stück ein weites Meer der Erlösung: Es war so erhebend und ich fühlte mich getragen.“, sagt ein Zuhörer, dessen Stimme noch nicht so recht mitmachen möchte und tupft sich eine heimliche Träne von der Wange.

 

Eigentlich bin ich eine eher zurückhaltende Person. Als ich begriff, daß das Stück zuende war, verspürte ich in mir den Drang, aufzuspringen, kämpfte ihn nieder und war dann doch froh, daß meine Banknachbarn wohl die selbe Empfindung hatten. Sie nämlich standen plötzlich und so konnte auch ich meinem ersten Impuls folgen und stehend weiterklatschen.

Ich bin dann hinausgegangen und habe eine Bekannte gefragt, ob sie mit mir noch eine Runde um die Kirche gehen würde. Irgendwie konnte und wollte ich nicht so schnell in die Realität zurückkehren. Ich wollte bewußt den Nachklang erleben und den Emotionen, die das Konzert in mir geweckt hatte, Raum geben.“

 

Die Veranstalter sind sich einig, daß es genau der richtige Zeitpunkt war, um dieses Stück in Schwanewede aufzuführen. „Ich habe durchweg nur positives von den Besuchern gehört, was mich natürlich sehr freut, denn das ist bei diesem Stück nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Selbst, daß ein Muezzin in einer Kirche seinen Gebetsruf erschallen ließ, wurde nicht diskutiert. Das hat mich fast ein bißchen gewundert und dann aber doch um so mehr gefreut, denn es zeigt mir, daß allen klar ist, daß wir Menschen mit unseren Wünschen und Träumen, mit unserem Leben und unseren Religionen doch vieles gemeinsam haben...

 

Letztendlich war diese „Neuenkirchner Version“ von „The Armed Man“ ein Glanzlicht der kirchenmusikalischen Arbeit in den evangelisch-reformierten Kirchengemeinden Neuenkirchen & Rekum. 
Hauke Scholten, als leidenschaftlicher und enthusiastischer Dirigent und eine herausragende, starke und beeindruckende Leistung des Kammerchores mischte sich mit höchst professionellen Musikern, die sich musikalisch und atmosphärisch auf fast magische Weise in den
Gesamtklang einfügten. 
Die Akustik der Michaelskirche Neuenkirchen konnte für dieses Werk auf außergewöhnliche Weise genutzt werden. 
Im Ganzen: Hervorragend und wiederholenswert! Respekt allen Mitwirkenden!“

 

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