The Armed Man“ von Karl Jenkins – musikalischer Gottesdienst am 13.11.2016 in der Friedenskirche, Bremen.

 

Schritte zum Frieden

 

Mit der Aufführung von Jenkins' Friedensmesse innerhalb eines musikalischen Gottesdienstes wollen Pastor Bernd Klingbeil-Jahr sowie Megumi Ishida-Hahn und Hauke Scholten mit ihren Chören, dem Projektorchester und den Solisten einen Beitrag leisten, damit wir alle angespornt werden, Schritte zum Frieden in der Welt zu wagen.

 

Ach ja, „Weltfrieden“, das ist auch so ein Wort. Wie soll man das denn umsetzen? Das geht doch gar nicht. Da sind doch immer Menschen, die querschlagen. Das wird doch nix...“, höre ich in meiner Erinnerung einen Herrn murmeln, dem ich eine Einladung zur Aufführung am 13.11.2016 in der Friedenskirche in Bremen gab. Ich ging davon aus, daß er nicht kommen würde – und doch war er da.

Schon das Kommen war ein Schritt. Und wer weiß, wohin ihn seine Schritte noch lenken werden? Jedenfalls waren seine Worte nach der Gedenkstunde: „Ich bin beeindruckt!“

 

Ja, beeindruckend was es wirklich, was es da zu hören gab:

Es begann mit den Schritten marschierender Soldaten sowie einem französichen Soldatenlied aus dem 15. Jahrhundert und führte musikalisch durch Gregorianik, Renaissance, Barock, Klassik, Moderne, aber auch durch Popularmusik und Jazz.

Dabei reihen sich geistliche und weltliche Texte aus aller Welt, in verschiedenen Sprachen gesungen, aneinander und bilden gemeinsam ein Ganzes.

Sie zeigen die Facetten des Krieges: Die Angst und den Horror der Sterbenden und auch das Verlassensein der Überlebenden.

 

Karl Jenkins kommt aus der Filmmusik und beleuchtet auf diese Weise aneinandergereihte Szenen, die von Hoffnungsschimmern durchdrungen werden, indem er dem ganzen die Form einer katholischen Messe zugrundelegt.

Aufgebaut ist das Stück als Requiem.

 

Damit der Opfer von Krieg, Verfolgung und Gewalt zu gedenken scheint einfach folgerichtig.

Am Friedenssonntag eine Friedensmesse in der Friedenskiche.

 

Das Stück führt uns in ein emotionales Erleben der Greuel von Kriegen.

Ich bin erschüttert. Ich konnte das gefühlsmäßig miterleben, was da passiert. Die Musik hat mich da tief mit hineingenommen. Und doch bin ich mir im Klaren, daß die Kriegsrealität noch viel schlimmer sein muß. Soetwas möchte ich nie erleben müssen. Und irgendwie macht sich in mir auch eine große Dankbarkeit breit, daß ich nicht wirklich beurteilen kann, was Krieg bedeutet. Was das Erleben eines Krieges bedeutet. Ich will's auch nicht wissen. Das hier hat vollkommen gereicht!“

 

Pastor Bernd Klingbeil-Jahr gab zu dem Stück eine Einführung.

Er erklärte darin, daß es unter dem Eindruck der Kriege im ehemaligen Jugoslawien entstand. „In den 90er Jahren kam der Krieg nach Europa zurück.

Urplötzlich wurden jüdische, christliche und muslimische Nachbarinnen und Nachbarn, die sehr lange friedlich miteinander gelebt hatten, zu Feinden. Manche fielen übereinander her. (…) Spätestens seit den Terrorangriffen vom 11. September 2001, aber eben auch seit dem Krieg im Irak, in Afghanistan, Ghaza oder Syrien wird deutlich, wie wichtig es wäre, daß die großen Schriftreligionen Judentum, Christentum und Islam sich endlich entschieden dagegen wehrten. (…) Karl Jenkins jedenfalls erinnert die drei Religionen an ihre gemeinsame Verantwortung für den Weltfrieden.“

 

Nachdem in den letzten Wochen aus dem gesamten Bundesgebiet zahlreiche Haßmails gegen die geplante Veranstaltung in der Bremer Friedenskirche geschrieben wurden, sicherten ca 30 Polizeibeamte das Geschehen in der Kirche ab.

Wir müssen Haltung zeigen gegen islamophobe und rassistische Tendenzen“ erklärt Pastor Klingbeil-Jahr. Er wurde von den Haßmails nicht entmutigt – im Gegenteil: „Das ist das richtige Stück zur richtigen Zeit am richtigen Ort!“ und Megumi Ishida-Haan pflichtet ihm bei: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

 

The Armed Man“ ist ein musikalischer Gottesdienst gegen den Krieg“, fügt Pastor Klingbeil-Jahr seiner Einführung in die musikalische und inhaltliche Welt des Oratoriums hinzu. „Wie aktuell das werden kann, zeigen die Polizistinnen und Polizisten, die zur Sicherheit heute in großer Zahl vor unserer Kirche aufgezogen sind. Am muslimischen „Allahu akbar“, (das jedoch bei Jenkins nichteinmal eine übergeordnete Rolle spielt,) entzünden sich islamfeindliche Proteste.(...)

Wer nur den Muezzin herausgreift, hat das Stück nicht verstanden! (…)

 

In Internetforen von fremdenfeindlichen Publizisten, von Islamhassern, wo sich neben Nazis, von Pegida bis NPD, auch fundamentalistische Evangelikale tummeln, hat sich gegen unseren Gottesdienst heute in den letzten Wochen sehr viel zugetragen. Daraufhin beschloß der Staatsschutz der Polizei von sich aus, heute hier Präsenz zu zeigen, damit wir in Würde der Opfer von Krieg, Verfolgung und Gewalt gedenken können.“

Die möglicherweise zu erwartenden Proteste vor und in der mit ca 350 Zuhörern besuchten Kirche blieben jedoch aus.

 

Hauke Scholten entgegnet allen Kritikern: „Ein Muezzin, der sich an so einer Messe beteiligt und das „Adhaan“ in einer christlichen Kirche singt, kann als Muslim kaum ein größeres Zeichen für den Frieden setzen:“

Bilal Güney übernahm diesen Part offiziell im Auftrag der Islamischen Förderation Bremen.

Für die Mitwirkung bedanken wir uns sehr herzlich und voller Respekt bei Bilal Güney und bei der Islamischen Förderation Bremen. Es ist uns eine Ehre und wir danken sehr für die vertrauensvolle Zusammenarbeit“, drückt Pastor Klingbeil-Jahr seine Empfindung aus und erntet dafür tosenden Beifall vom Publikum.

 

Bilal Güney freut sich über ein Erlebnis des heutigen Tages besonders. Dazu erklärt er: „Mein Lehrer hat einmal zu mir gesagt: „Wenn die Leute zu Dir sagen: „Du hast schön gepredigt!“, hast Du nichts erreicht. Wenn sie sagen: „Ich weiß jetzt, was zu tun ist!“, dann hatten Deine Worte einen Sinn.“ - Eben hat eine Frau hat zu mir gesagt: „Ich habe heute etwas verstanden: Auch ich möchte etwas für die Kommunikation zwischen den Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen in meinem eigenen Leben tun.“ Darüber freue ich mich. Schon wenn auch nur ein Einziger einen Schritt auf dem Weg zum Frieden durch uns heute geht, haben wir etwas erreicht!“

 

Viele Familien waren mit ihren Kindern da. Eines von ihnen, der sechsjährige Jann Endrik, antwortete nach dem Konzert auf die „Und-wie-war's“-Frage begeistert mit: „Das war laut!“

 

Eine Sängerin erzählt nach dem Gedenkkonzert: „Ich bin sehr dankbar für die Erfahrung dieses gemeinsamen Projektes und für die Gastfreundschaft, die uns die Friedensgemeinde entgegengebracht hat.

Dadurch, daß wir von dem „Hintergrauschen“ wußten und damit auch von der nicht sicher absehbaren völligen Friedlichkeit am Aufführungstag, bestärkte mich die Erfahrung des eigenen Mutes, es trotzdem zu tun und zu meiner Überzeugung zu stehen. Ich habe heute nicht nur an einem bemerkenswerten Stück mitwirken, sondern mit der Aufführung auch ein deutliches Zeichen setzen dürfen. Das bewegt mich sehr. Und auch die unerwartete Sicherheit durch den Polizeischutz, der plötzlich da war, geben mir eine Menge Vertrauen mit.

Und noch eines nehme ich mit: Das Gefühl der Gemeinschaft der Sänger und der Gedenkenden. Die Musik und die Worte schwingen noch nach: Ein Klang in Herz und Ohr. Das war ein Schritt in die richtige Richtung.“

 

 

 

 

 

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